Docendo discimus
Wenn die Augendeckel schwer werden, die Gedanken immer wieder fortmäandern und der Blick häufiger zur Uhr wandert, als zu farbenfrohen Präsentationsfolie, dann sitzt man wahrscheinlich in einer klassischen Schulungsveranstaltung, in der mit bestem Wissen und Gewissen eben selbiges über eine Gruppe Teilnehmender ausgeschüttet wird. Um, ja, um was genau zu erreichen?
Diese Art von «Lernen» ist noch immer die am häufigsten angewendete Darreichungsform, obwohl sie nur kostbare Lebenszeit auffrisst und dabei langweilt, frustriert oder überfordert und – aus meiner Sicht das Schlimmste – einen möglichen Transfer nicht einmal thematisiert, sondern in die Zukunft verlegt.
Aus diesen Beobachtungen (und selbst erlittenen Erfahrungen) resultierte mein Ziel für dieses Jahr, Lernen anders zu gestalten. Nicht, indem ich alten Wein in neuen Technologien kredenze. Sondern, indem erlebend, ausprobierend und schliesslich mit selbstgesteckten Zielen agierend im konkreten Anwendungskontext gelernt werden kann.
Um ein entsprechendes Produkt zu entwickeln – eines, das sei noch erwähnt, das ich dann auch in mein Angebotsportfolio aufzunehmen gedenke – habe ich zunächst ein klassisches, häufig ungeliebtes Lernthema hergenommen: das betriebswirtschaftliche Grundwissen. Warum das? Zum einen stellt dies in einem aktuellen Projekt eine Anforderung dar, die der Kunde gerne klassisch gelöst bekommen hätte(!). Zum anderen taucht in sehr vielen Organisationen die Forderung an die Mitarbeitenden auf, man möge doch bitte mal unternehmerisch denken (und handeln). Was aber häufig eher eine herablassende Ermahnung darstellt, wenn um mehr Ressourcen für die Erfüllung der Aufgaben angefragt wird.
Die Frage, die sich – eigentlich bei allen Personalentwicklungsvorhaben – als erstes, zweites und drittes stellt, lautet doch eigentlich, was sich denn verändern soll. Was besser, anders oder neu sein soll, am Verhalten, Können, Tun der Menschen, die mit dem Lernthema konfrontiert werden sollen. Lautet die Antwort, dass sie etwas neues wissen müssen (weil sie vielleicht bei «wer wird Millionär» mitspielen sollen, etwa um die letzte Umsatzbeule auszugleichen), dann reicht es gewiss, ihnen Informationen zugänglich zu machen. Möchte man jedoch erreichen, dass Abläufe anders gestaltet, veränderten Marktbedingungen Rechnung getragen oder eine neue Unternehmensstrategie mitgetragen werden können, wird das nicht ausreichen. Dann braucht es eher Lernräume, in denen die Menschen für sich und im Team erleben, ausprobieren und gestalten können. Und genau das möchte ich als mein diesjähriges Lernziel entwickeln.
Spannend am Thema des betriebswirtschaftlichen Grundwissens ist aus meiner Erfahrung, dass es viele Menschen sehr schnell langweilt, weil sie darunter den Umgang mit trockenen Zahlen verstehen und von vorneherein erwarten, dass sie ohnehin nichts begreifen werden. Da hilft ein spielerischer Zugang, in dem Zusammenhänge und die Auswirkung von Handlungen (oder deren Unterlassung) dadurch erlebbar gemacht werden, dass man sie mitsteuert. Und dabei neben Impulsen durch einen Lernbegleiter mit den anderen Teilnehmenden reflektiert, was man tut und ob es im eigenen Arbeitskontext ähnliche Phänomene oder Ergebnisse gibt. Fakten, die auf diese Weise begriffen werden, haben eine bessere Chance, sich als aktives Wissen zu verankern, als vorgetragenes Wissen Lehrender.
Dieser erste Schritt bildet die Voraussetzung für die zweite Phase, in der es um Ziele gehen soll. Und darum, wie diese erreicht werden sollen. Da Ziele in Organisationen eher nicht von einzelnen, sondern von Teams oder Gruppen erfüllt werden, gilt es hier einen Diskurs zu moderieren, in dem gemeinschaftlich entschieden wird – basierend auf den beeinflussbaren Kennzahlen – welchen Impact man erzielen möchte und wer, wie welchen Beitrag dazu leisten kann. Welche Werte angestrebt werden sollen und wie man mit Erfolg oder Scheitern umgehen möchte. Dadurch, dass die Ziele von der Gruppe formuliert, und ein Vorgehen für diesen Weg entwickelt wird, entsteht ein anderes Engagement, als es bei vorgegebenen Zielen häufig der Fall ist. Hierbei gibt es aber einen erfolgskritischen Faktor. Die Menschen, die nun damit beginnen, die Kennzahlen in ihrem Wirkungsbereich positiv zu entwickeln, brauchen natürlich Transparenz darüber, müssen also täglich (oder in anderen sinnvollen Iterationen) wissen, wo sie und ihr Team stehen. Das klingt jetzt nach einer leicht dahingesagten Selbstverständlichkeit, ist aber in Organisationen in der Regel noch immer eine heilige Kuh.
Die Phase, in der dann zum einen Wirkung erzielt und zu anderen nachhaltige Verhaltensänderungen entwickelt werden, ist die der Umsetzung. In einem über mehrere Monate fazilitierten Prozess beginnt das Team nun das zu tun, was zuvor gemeinsam ermittelt und entschieden wurde. Dieser Schritt bedarf regelmässiger Reflexion und Anpassung. Und gut moderierte Verhandlungen auf dem Weg zu einer Diskurs- und Konsentkultur, wie sie in der Form bisher weder nötig noch möglich war. Und – natürlich – gilt es, Erfolge auf dem Weg zu besseren Ergebnissen sichtbar zu machen und nicht zuletzt zu feiern.